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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Jean-Luc Nancy:

Am Grund der Bilder

Über Bilder in unserer Zeit - Woher gewinnen Bilder ihre Macht? Wie können wir bildhafte Oberflächen durchstoßen?




Jean-Luc Nancy, Philosophieprofessor an der Strasbourger Marc Bloch-Uni und Autor der in Frankreich erscheinenden Zeitschrift Futur Anérieur, die von einem Redaktionskollektiv unter der Leitung von Antonio Negri herausgegeben wird, schreibt in seinem neuen Buch über den Unterschied und das Gemeinsame von Bilder und Text. Das ist nicht ganz einfach, erinnern wir uns: In den ´80er Jahren gab es ganze Denkrichtungen, die der inflationären Bilderwelt der Massenmedien zutiefst mißtraute. Paul Virilio (Krieg und Kino Logistik der Wahrnehmung, München / Wien 1986) und Jean Baudrillard (Der symbolische Tausch und der Tod) gehörten zu den exponiertesten Vertretern dieser Gattung. Baudrillard ging gar später so weit zu behaupten, dass der Golfkrieg gar nicht stattgefunden habe. Kritiker meinten daraufhin brüskiert, dass Baudrillard gar nicht existieren würde und nur als Simulation seiner selbst funktioniere. Tatsächlich ist es seither erstaunlich ruhig um ihn geworden. Vielleicht lag es am Hufeisenplan und an Saddams nicht vorhandenen Atomwaffenpotentiale, am 11.09. und anderen ominösen Medienbilder. Die aber sind profan. Nancy geht es zunächst um das Heilige des Bildes, dass Ausgegrenzte, versteckte, nicht sofort ins Auge springende Detail des Bildes. Magrittes Pfeifenbild etwa, das da paradoxer Weise heißt: "Dies ist keine Pfeife". Bilder sind aber auch Gewalt, wir stehen unter einem medialen Dauerbeschuss, die einer Werbekampagne oder des Internet. Ganz im hier und jetzt! Philosophie ist nach Nancy nicht dazu da, Fragen zu beantworten, die keiner gestellt hat. Im Gegenteil: Im Kapitel Das Darstellungsverbot versucht der Autor die Frage zu beantworten, ob man den Holocaust darstellen darf, im Film Schindlers Liste oder Claude Lanzmanns umstrittener Dokumentarfilm Shoa.

Vom Schwierigen zum eher, na ja, sagen wir Leichtgängigen. Landschaftsmalerei zum Beispiel, oder Agrikultur. Es gibt immer noch Leute, vor allem in Deutschland, die diese für die Kunst der Künste überhaupt halten. Deshalb gibt es auch ein Landwirtschaftsmisterium. Und ein Bilderverbot, man denke nur an die freiwillige Medienzensur der Bilder über die jüngsten Entführungen im Irak. Nun aber oszillieren die Abbildungen, überschneiden sich, kurze Schnitte, sich überlagernder Einstellungen. Die Metaphern, die einen beim schreiben schon verzweifeln lassen, verhüllen nun mehr als sie preisgeben. Wie in Stanley Kubricks letztem Film, mit einem phantastischen Titel: Eyes wide shut. Nicole Kidman trägt hier übrigens Unterwäsche von Calida, dies aber nur am Rande – und genau in der Schlüsselsequenz. Der Stoff, des Filmes natürlich, an Schnitzlers Traumnovelle angelehnt, führt einen jungen, ehrgeizigen Arzt durch die karnevalesken Orgien der Oberschicht, alles mit einem Hauch tiefenpsychologischer Selbstwahrnehmung. Am Ende ist sie es aber, die eine Traumdeutung bewältigt, und er derjenige, der wieder einmal nichts versteht. Tom Cruise: "Häh"? Fast wie im Kino, nur..., nennen wir es realistischer, durchdachter eben. Hierzulande macht man sich ein Bild von etwas, was man genauer ergründen möchte, das könnte es treffen. Von Jean-Luc Nancy wird man noch hören, wenn die Bilderwand sich auflöst.

RezensentIn: Adi Quarti

Erschienen bei Diaphanes 2006, 19,90 Euro.


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